Wirtschaftsethnologie und Politische Anthropologie - Staatenbildung und die Ökonomie von Kula und Potlatch
Mauss - Ökonomie von Kula und Potlatch
Die Vertreter der ökonomischen Anthropologie gehen prinzipiell von einer starken Vernetzung von Gesellschaft bzw. Kultur und ökonomischem Handeln aus. Je nach ihren generellen Standpunkten im Rahmen der kultur- und sozialanthropologischen Theorienbildung wird dem Individuum oder der Gemeinschaft mehr oder weniger Bedeutung bei der Gestaltung von wirtschaftlichen Prozessen zugemessen.
Dies kommt deutlich bei zwei wichtigen Vertretern der ökonomischen Anthropologie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Ausdruck, die wesentlich zur Professionalisierung der Kultur- und Sozialanthropologie als eigenständige Disziplin betrugen:
Bronislaw Malinowski und Marcel Mauss
Im Mittelpunkt ihrer Arbeiten stehen Fragen der Distribution und des Austausches von Produkten. Ihre Analysen dieser Prozesse betonen die Verflechtungen von Ökonomie und Gesellschaft, von sozialen und religiösen Institutionen und Konzepten sowie von individuellen Bedürfnissen und Interessen.
Bronislaw Malinowski liefert eine genaue ethnographische Beschreibung der Institution Kula in all ihren Dimensionen und analysiert sie im Rahmen des Funktionalismus. Seine Erkenntnisse basieren auf langjährigen Feldforschungen auf den Trobriand Inseln.
Malinowski hat im Kula-Tausch vor allem die soziale Funktion für den Einzelnen gesehen: Welche Stellung hat die einzelne Person im Netzwerk der Kula-Partner? Als junger Mann tauscht man sich in das Netzwerk hinein, baut dieses aus und verschafft sich mit der Zeit hohes Ansehen.
Marcel Mauss erstellt vergleichende Analysen und theoretische Überlegungen zum Konzept des Tausches bzw. der Gabe, wobei er (aufbauend auf der Arbeit von Malinowski) Kula zu anderen Formen von Austausch in verschiedenen Regionen und historischen Epochen (z.B. Potlatch in Nordwestamerika, Geschenksaustausch in Polynesien, Neuseeland und auf den Andamanen sowie im alten römischen und germanischen Recht) in Beziehung setzt.
Mauss interpretiert Malinowskis Daten nicht aus der Perspektive des Individuums, sondern aus jener der Gesellschaft. Er sieht Geben – Annehmen – Erwidern als den Mechanismus, der Menschen, die an sich autark sind, miteinander verbindet.
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