Wirtschaftsethnologie und Politische Anthropologie - Staatenbildung und die Ökonomie von Kula und Potlatch

Das Vermächtnis von Mauss

Die Folgenden Seiten, beziehen sich im Wesentlichen auf Maurice Godelier Buch:
Das Rätsel der Gabe: Geld, Geschenke, heilige Objekte. C.H. Beck, München 1990

Der von mir im Folgenden verwendete Begriff der "First Nations", bezieht sich auf die Kwakiutl, Haida und Tlingit. Der Begriff "First Nations" steht für alle Stämme, die vor der Besiedelung durch die Europäer in Kanada gelebt haben.

Einleitung

Warum Maurice Godelier ein Buch über „Die Gabe“ schreiben wollte, habe ich bereits kurz beschrieben. Siehe: Anfänge der Ethnologie

Das erste Kapitel seines Buches widmet Godelier dem „Vermächtnis von Mauss“ und hier besonders dem Potlatch und dem Kula.

Wie von Godelier nicht anders zu erwarten, kommentiert und analysiert er nicht nur die Gabe im Kontext soziologischer Aspekte der Gesellschaft, sondern auch als Anthropologe. Ein weiterer Punkt ist die politische Analyse und Kritik, der existierenden politischen und ökonomischen Verhältnissen in den westlichen Staaten Europas und des ehemaligen Ostblocks.

„Es ist dies der Kontext der westlichen Gesellschaft, in der die Zahl der Ausgeschlossenen zunimmt …, die Zahl derer, die arbeiten, verringert [hat] …“ [1]

Deutliche Kritik übt Godelier an der sog. Globalisierung und der veränderten Handlungsspielräume der Politik auf ökonomischem Gebiet. Einen Wendepunkt in der Wirtschaftspolitik sieht Godelier in der Wiedervereinigung 1989 Deutschlands, in der erst die Hoffnungen der Erwerbstätigen groß, der Absturz für viele, in die Arbeitslosigkeit, aber noch viel größer war. Seine direkte Schuldzuweisung an den existierenden Verhältnissen (Stand 1996, der französischen Erstausgabe) gibt er der Politik, oder wie er schreibt, dem Staat:

„Aber der Staat ist keine Abstraktion, keine Institution, die von einem anderen Planeten gekommen ist. Der Staat regiert, und er ist das, was diejenigen, die ihn lenken, aus ihm machen.“ [2] Für Deutschland zumindest gilt, dass der Staat, unter der Führung des Kanzlers Helmut Kohl, freiwillig und auf Drängen der Wirtschaftsliberalen in der Regierung, das Heft des Handelns aus der Hand gab.

Godelier spart aber auch nicht mit Kritik am sozialistischen System und den Gründen ihres Scheiterns, eines Regimes, das aus einer sozialistischen Revolution hervorgegangen ist und „… in der Folgezeit in eine(r) unerträglichen Mischung aus gelenkter Ökonomie und als Volksdemokratie verkleideten Diktatur …“ scheiterte.[3]

Über das, was aus der Gabe geworden ist, nach Jahrhunderten von Christentum und mildtätigen religiösen Institutionen, spannt Godelier den Bogen zu Marcel Mauss: „Die milde Gabe ist wieder da, sie, von der Marcel Mauss 1925 in seiner Abhandlung Die Gabe schrieb: " ... sei sie, immer noch verletzend für den, der sie empfängt.[4]

Im Medienzeitalter des 20-sten und 21-sten Jahrhunderts hat sich der Sinn der Gabe noch mehr verändert. Sie ist nicht mehr die Gabe an den Nahestehenden, den Verwandten, den Freund, von dem man persönlich Dank ohne Berechnung empfängt, sondern sie ist zu einem Akt geworden, der abstrakte Subjekte verbindet, die Gabe auf Zeit, während einer Medienkampagne, die unsere Aufmerksamkeit zeitlich befristet und auf Krisen, Kriege, Kranke hinweisen und zur anonymen Spenden aufruft.

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[1] Maurice Godelier: Das Rätsel der Gabe, Geld, Geschenke, heilige Objekte. C.H. Beck, München 1990, S. 10

[2] Ebd. S. 11

[3] Ebd. S. 12

[4] Ebd. S. 11